Nudging (zu dt. „stupsen“) beschreibt kleine unbewusste Interventionen in Entscheidungssituationen, die ein Individuum dahingehend lenken, die für sie bestmögliche Entscheidung zu treffen. Wichtig dabei ist es, dass der entscheidenden Person keinerlei Möglichkeiten genommen werden. Ein typisches Beispiel für Nudges sind die Fliegen, die in den Urinalen am Amsterdamer Flughafen als Zielscheibe eingesetzt werden, um die Säuberungskosten zu minimieren – und das mit Erfolg!
Aber auch in zahlreichen anderen wichtigen Lebensbereichen, wie dem Sparen für die Rente in den USA oder bei gesundheitlichen Entscheidungen, wie der Auswahl von gesünderen Lebensmitteln, gibt es Nudges, deren Effektivität mehrfach empirisch nachgewiesen wurde. Sie begegnen uns somit fast täglich: Denken Sie an die Ampeln auf den Lebensmitteln oder die schon vorher ausgewählten Kästchen, den Newsletter zu abonnieren, wenn Sie online einkaufen.
Nudges stammen ursprünglich aus der Verhaltensökonomie und sind im klassischen Sinne Instrumente politischer Intervention. Sie fallen unter den Begriff des liberalen Paternalismus, der von den Wissenschaftlern Richard Thaler und Cass Sunstein geprägt wurde, da sie keine Entscheidungen unterbinden. Um per Definition als Nudge zu gelten, muss er simpel und günstig in der Implementierung, sowie für den Rezipienten einfach zu umgehen sein. Er darf keine Wahlmöglichkeit ausschließen oder wirtschaftliche Anreize stark verändern. Außerdem haben Nudges das Ziel, die private oder gemeinsame Wohlfahrt zu verbessern.
Aber warum zeigen Nudges so eine hohe Effektivität, obwohl sie eigentlich unbemerkbar sind? Der Grund liegt in der Art und Weise, wie Menschen Entscheidungen treffen. Im Alltag nutzt der Mensch überwiegend unterschiedliche Arten von Denkschablonen und Daumenregeln, die es ihm erlauben, (meist) richtige Entscheidungen zu treffen. Vor allem in komplexen Situationen, die unter unzureichender Erfahrung, Information und vielen verschiedenen Einflüssen stehen – wie zum Beispiel Zeitdruck, eine laute Umgebung, die Tagesform oder der Gemütszustand – und wir nicht die Gelegenheit dazu bekommen, lange und eindringlich über unsere Entscheidungen und deren Konsequenzen nachzudenken, greifen wir auf Denkschablonen und Daumenregeln zurück. Nudges sprechen genau die Annahmen, die der Mensch trifft, an.
Von den beiden Wissenschaftlern wurden 10 Arten von Nudges identifiziert, die am häufigsten genutzt werden:
1. Default Regeln, z.B. ist man in Spanien von Geburt an Organspender, außer man entscheidet sich im Laufe des Lebens dagegen,
2. Vereinfachungen, z.B. die Nutri Scores auf Lebensmitteln,
3. Soziale Normen, z.B. die Aufforderung, wählen zu gehen,
4. Erhöhung der Bequemlichkeit, z.B. in der Cafeteria gezielt auch gesundes Essen anzubieten, um den Verzehr von gesundem Essen in der Öffentlichkeit zu erhöhen,
5. Offenlegung, z.B. eine Kreditkartenabrechnung, auf der jede Transaktion im Detail aufgeführt wird,
6. Warnungen, z.B. Warnhinweise auf Zigarettenschachteln,
7. Strategien der Selbstbindung, z.B. mit einer anderen Person darum wetten, ob man es schafft, sich bspw. tägliches Lesen anzugewöhnen,
8. Erinnerungen, z.B. die tägliche Erinnerung des Handys, dass man ein bestimmtes Schrittziel einhalten möchte,
9. Durchführungswillen, z.B. die Frage „Werden Sie sich impfen lassen?“,
10. Informationen darüber, welche Konsequenzen frühere Entscheidungen hatten, z.B. Institutionen wie die Krankenkasse könnten dem Individuum gezielte Angaben zu ihrem/seinem Verhalten machen, um einen bewussteren Lebensstil zu fördern.
Obgleich Nudges ihre Effektivität bewiesen haben und auch von vielen Regierungen gerne genutzt werden, gibt es berechtigte Kritik. Nudges, die nicht ausreichend akzeptiert werden, könnten als manipulativ aufgenommen werden. Es ist daher äußerst wichtig, dass die festgelegten ethischen und definitorischen Richtlinien eines Nudges in seiner Anwendung eingehalten werden. Außerdem ist es wichtig, dass der genutzte Nudge von der Gesellschaft akzeptiert wird, d.h. dass der Nudge ein Ziel oder einen Wert verkörpern muss, den sich die Gesellschaft wünscht. Insbesondere, wenn eine Regierungsinstitution nudget, könnte dies ihre Glaubwürdigkeit, ihren Ruf und das Vertrauen der Bürger aufs Spiel setzen.
Sollten Sie weiterführendes Interesse an dem Thema Nudges haben, empfehlen wir:
- Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahnemann
- Nudge – Wie man kluge Entscheidungen anstößt von Cass Sunstein
- Nudge – improving decisions about health, wealth, happiness von Richard Thaler und Cass Sunstein
oder den Artikel Nudging: A very short guide von Cass Sunstein